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Risikofaktor Klima

Autor BK

Gefährdungsfaktor Hitze im Arbeitsschutz und Gesundheitsmanagement

Der Anstieg der Hitzetoten in den letzten Jahren ist alarmierend. Im Juli 2022 sind in Deutschland nach einer Hochrechnung des Statistischen Bundesamtes (Destatis) insgesamt 85 285 Menschen an den Folgen von Hitze gestorben. Diese Zahl liegt 12 % (9 130 Fälle) über dem mittleren Wert (Median) der Jahre 2018 bis 2021 für denselben Zeitraum.

    Ab welchen Temperaturen ist Vorsicht geboten?

    Wie allgemein bekannt, ist der menschliche Organismus ständig bemüht die Körper­temperatur auf etwa 37 Grad Celsius zu halten, damit lebensnotwendige Stoffwechsel­prozesse fortlaufend stattfinden können. Diverse Reaktionen des Körpers vom Hitzekrampf über Hitzekollaps bis hin zum Hitzschlag mit Todesfolge sind möglich, wenn das Resilienzvermögen des Organismus überlastet wird. Ab Außentemperaturen über 37 Grad wird es gefährlich – bei einer hohen Luftfeuchtigkeit sogar schon bei geringeren Temperaturen.

    Steigt die Umgebungstemperatur auf über 26 °C an, ist bereits mit Konzentrations­mangel, Leistungsabfall, Zunahme von Arbeitsfehlern, Erschöpfung, Ermüdung und Zunahme von Unfällen zu rechnen. Eine anhaltend hohe Wärmeeinwirkung kann auch zur Belastung des Herz-Kreislauf-Systems, der Atemwege und des Wasser- und Elektrolythaushalts führen [1].

    Perspektive zu Hitzewellen und deren Folgen

    Die Aussichten für die Zukunft sind eher düster. Mit kleineren Abweichungen folgen die Spitzentemperaturen und deren Häufigkeiten dem CO2-Gehalt in der Atmosphäre, was wiederum mit der Anzahl der Hitzeschäden beim Menschen (und in der Natur) einhergeht. Bereits jetzt spricht die WHO [2] von hunderttausenden Hitzetoten jährlich. Jeder dritte hitzebedingte Todesfall (durchschnittlich über 100.000 pro Jahr weltweit) kann auf den Klimawandel zurückgeführt werden.

    Von einem Rückgang der CO2-Emissionen sind wir weit entfernt und selbst wenn wir den Ausstoß heute noch vollständig stoppen könnten, geht der Temperaturanstieg mit Wetterextremen noch viele Jahre weiter und die nachfolgende Klimabremsspur zu einer perspektivischen Abkühlung reicht jahrhundertelang [3].

    Wir sind bereits in einer Welt mit längeren Perioden > 30° C und Spitzen von > 40°C auch in unseren Breiten angekommen und ein weiterer Anstieg in den kommenden Jahren ist nicht mehr abwendbar. Zusätzlich zu den körperlichen Belastungen kommen psychische hinzu. Der Situation ist oftmals kaum auszuweichen und gewohnten Arbeits- und Lebensweisen kann über längere Zeiträume (Hitzewellen) nicht mehr nachgegangen werden.

    Nach aktuellen Publikationen der WHO [2] nehmen durch die zunehmenden Hitzewellen nicht nur unmittelbare physiologische Schäden zu, sondern auch indirekte wie Arbeitsumfälle, Verkehrsunfälle, Handhabungsfehler etc., was nicht überraschend erscheint.

    Stand der Gefährdungsbeurteilungen Klima / Hitze

    Sind wir hierauf bereits ausreichend vorbereitet, haben wir die Gefährdungsbe­urteilungen (GBU) und die präventiven Maßnahmen auf Stand? Planen wir für das was kommt? Die Antwort lautet „Nein“!

    Den Gefährdungsfaktor „Klima“ [1] kennen wir in der Berufswelt bis jetzt nur als Sonderfall „hitzebedingte Gefährdung“ für bestimmte Arbeitsplatzkategorien. Zu einer nachhaltigen Verbesserung bei der Erfassung und Maß­nahmenfestlegung für alle Berufsgruppen ist es durchgehend noch nicht gekommen. Auch die Faktoren Alter und Vorbelastung sowie wegebedingte Risiken finden bisher kaum Beachtung.

    Dies wird besonders deutlich an der arbeitsmedizinischen Regel (AMR) „Tätigkeiten mit extremer Hitzebelastung…“ [4] des BMAS. Hier werden Tätigkeiten, bei denen extreme Hitzebelastung im Sinne der AMR vorliegen, eher ausgeschlossen und Maßnahmen in den Bereich der dort so genannten ‚Wunschvorsorge‘ verlagert. Eine extreme Hitzebelastung für sonstige Tätigkeiten wird nach der AMR [4] erst gesehen jenseits von Lufttemperaturen von 45°C (!) und Beschäftigungsdauern > 15 Min. bzw. Lufttemperaturen von 30°C mindestens vier Stunden pro Schicht bei gleichzeitig hoher Luftfeuchte ‚gekennzeichnet, beispielsweise durch feuchte oder nasse Haut‘ (Zitat).

    Vor dem o.g. Hintergrund der Gesundheitsrisiken erscheinen die vergleichsweise extremen Grenzwerte verwunderlich. Auch ist die implizierte Annahme, dass es sich nur um spezifische Arbeitsplätze bzw. um kurzfristige Ausnahmen handelt, die mit Bordmitteln überbrückt werden können, zunehmend falsch.

    Maßnahmen und Vorsorge

    Was können nun geeignete Mittel und Maßnahmen sein, um hitzebedingte Gefährdungen zu reduzieren und Gesundheitsschäden zumindest vorzubeugen?

    Grundsätzlich unterscheiden die Maßnahmen für spezifische Arbeitsplätze die folgenden Bereiche [1]:

    • Technische Maßnahmen (insbes. Klimatisierung und Wärmeschutz)
    • Ergonomisch-organisatorische Maßnahmen (Arbeitsbelastung, PSA, arbeits­me­dizinische Vorsorge)

    Zusätzlich erforderlich werden:

    • Vorbeugende Erfassung von hitzebezogenen Gefährdungspotentialen: Erfassung von Arbeitsplatzbedingungen auch außerhalb der klassischen Arbeitsplatzkategorien mit potentieller Hitzebelastung inkl. der Wege zum Arbeitsplatz und Home-Office-Bedingungen etc.
    • Findung zusätzlicher Schutzmaßnahmen: Verhaltensregeln erstellen und kommunizieren (Arbeitsplatz, Wege, Privatbereich); Arbeitszeitmodelle anpassen; spezifische Gesundheitsförderung (z.B. Akklimatisierungstrainings); engmaschige Überwachung der Situation (Mitarbeiter-App. etc.)
    • Persönliche (Schutz-)Ausrüstung: besonders geeignete Funktionskleidung, i.d.R. nicht die klassische Schutzkleidung z.B. nach DIN EN ISO 11612
    • Gekühlte Pausenräume/-container mit Getränkeversorgung; architektonische oder gartenbauliche Kühlungszonen o.ä.
    • Angepasste GBU und Anwendung für einen erweiterten Personenkreis unter Berücksichtigung von Alter und Vorbelastungen
    • Angepasste BGF-Maßnahmen
    • Zusatzausbildung für Ersthelfer bzgl. Symptomen und Rettungsmaßnahmen

    Jahreszeitlich spezifische Schutzmaßnahmen können in einer Periode von April bis Oktober erforderlich sein, sind also durchgehend relevant für den Arbeitsschutz und die betriebliche Gesundheitsförderung (BGF). Dabei müssen BGF-Angebote auch unter den Randbedingungen hoher Temperaturen noch förderlich sein und keine ungewollten negativen Folgewirkungen auslösen.

    Fazit

    Aufgrund der historisch als Ausnahmesituation eingestuften Hitzege­fährdungen und der signifikant gestiegenen Gesundheitsgefahren bis hin zu Todesfolgen durch die fortschreitende Klimaveränderung ist dringender Handlungs- und Regelungsbedarf gegeben. Zur Vorbeugung von Personalausfällen und der Erhaltung der Arbeitsplatzattraktivität muss der Gefährdungserfassung und Planung von hitzegerichteten Schutzmaßnahmen Priorität eingeräumt werden. Diese beginnen mit der systematischen Erfassung und Planung im Rahmen der Gefährdungsbeurteilungen für einen erweiterten Personenkreis.

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    Quellen
    1. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: Handbuch GBU Teil 2 Gefährdungsfaktoren
    2. World Health Organisation https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/climate-change-heat-and-health
    3. https://www.deutsches-klima-konsortium.de
    4. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: Bekanntmachung von Arbeitsmedizinischen Regeln, hier: AMR 13.1 „Tätigkeiten mit extremer Hitzebelastung, die zu einer besonderen Gefährdung führen können“